In der Tempelküche von Jeongkwan Snim

Tempelküche Jeongkwan Snim

Nach dem ersten Treffen mit Jeongkwan Snim war für die Zürcher Fotografin Véronique Hoegger klar: Über diese Frau möchte ich ein Buch machen. Nun, mit dieser Idee war sie nicht alleine. Und vor allem musste sie sich erst in der Tempelküche beweisen. 

Die Probe erfolgte nach drei Wochen im Kloster: Jeongkwan Snim bittet Véronique die Sommerküche zu putzen. “Der Rest des Küchenteams ging zu den grossen Tontöpfen, Ongi genannt, wo die fermentierten Sachen wie Ganjang (koreanische Sojasauce) und Doenjang (koreanische Sojabohnenpaste) gelagert sind. Normalerweise wäre ich ihnen mit meiner Kamera gefolgt, aber an diesem Tag fand ich, gut, dann widme ich mich halt der Küche.” Sie habe alles tiptop gereinigt, konzentriert und mit voller Hingabe. Nach ein, zwei Stunden tauchte Snim wieder auf. “Als sie sah, was ich gemacht habe, spürte ich ihre grosse Freude – wir konnten ja nicht miteinander reden – und ich sah, wie glücklich sie über meine Arbeit war. Mir wurde in diesem Moment bewusst, dass es keinen Unterschied macht, ob ich ein gutes Foto mache oder eine Küche putze. Was zählt, ist nur die Intention dahinter”, sagt Véronique Hoegger. Ab diesem Moment sei sie ein Teil der Gemeinschaft des buddhistischen Klosters geworden. Sie war angekommen. 

Aus der ganzen Welt kamen Anfragen für ein Buch

Um die Situation in der Sommerküche ganz zu verstehen, muss man etwas zurückgehen. Denn eigentlich beginnt diese Geschichte drei Jahre früher, im Januar 2019. Die buddhistische Nonne Jeongkwan Snim – das Snim in ihrem Namen bedeutet Nonne und steht immer zusammen mit ihrem Namen Jeongkwan, es wegzulassen wäre äusserst unhöflich – kommt für einen Besuch nach Zürich und kocht im Museum Rietberg Gerichte aus ihrer Tempelküche, die durch die Netflix-Serie Chef’s Table weltbekannt geworden ist. Ich bekomme die Möglichkeit, sie für das Magazin GRUEN zum Interview zu treffen, als Fotografin begleitet mich Véronique Hoegger. Nach dem Termin verlassen wir beide, wie berauscht, den Ort. Véronique so stark, dass sie kaum mehr schlafen kann. Sie will unbedingt ein Buch mit Jeongkwan Snim machen, deren Persönlichkeit und Arbeit sie so fasziniert. Über die Autorin Hoo Nam Seelmann, die in der Schweiz lebt und eine Freundin und Übersetzerin Snims ist, deponiert sie noch in der gleichen Woche eine Anfrage. Vom Echtzeit Verlag hat sie bereits die Zusage für eine Publikation. “Ich wusste, dass auf Snims Schreibtisch bereits eine ganzer Stapel Anfragen aus der ganzen Welt lagen. Aber ich fand, lass uns noch eine weitere dazulegen.”


Ein Jahr lang warten die beiden. Seelmann, die in Südkorea geboren ist und das Buch schreiben sollte, telefoniert immer wieder mit Jeongkwan Snim – bis sie Ende 2019 die Zusage erhalten und im Frühling 2020 zusammen nach Südkorea reisen wollen. 

Das Kloster funktioniert wie eine Spitzenküche

Die Pandemie sorgt erstmals für eine zweijährige Pause. Im Frühling 2022 sitzen Véronique Hoegger und Hoo Nam Seelmann dann in einer der ersten Maschinen, die wieder nach Südkorea fliegen. Véronique hat viele Jahre Erfahrung als Fotografin, gerade auch in der Food-Fotografie. In der Schweiz arbeitet sie regelmässig mit Köchen wie Andreas Caminada zusammen. Im Tempel von Jeongkwan Snim würde aber alles ganz anders werden, das merkte sie rasch. “Ich wurde nicht als Fotografin empfangen, sondern einfach als Mensch, der Interesse an der Kultur des Zen-Buddhismus hat – aber dies musste ich erst noch unter Beweis stellen.” 

In ihrem Kloster ist Jeongkwan Snim die einzige Nonne. Sie hat es zu einem Ort gemacht, der sich ganz der buddhistischen Tempelküche widmet. Der Tagesablauf wird bestimmt von den Essen, die im Tempel oder auch ausserhalb stattfinden und davon, was für Besucher sich angekündigt haben. Snim lebt zusammen mit einem wechselnden Team an jungen, meist südkoreanischen Köchinnen und Köchen, die bei der Meisterin lernen wollen. “Die Küche funktioniert wie jede andere Spitzenküche dieser Welt, es wird viel und hart gearbeitet. Jeongkwan Snim leitet bestimmt und wie eine Dirigentin, mit dem Unterschied, dass sie mit ihrem Team in einer Herzlichkeit umgeht, wie sie in Küchen nicht unbedingt üblich ist.”

„Ich wurde nicht als Fotografin empfangen, sondern einfach als Mensch, der Interesse an der Kultur des Zen-Buddhismus hat – aber dies musste ich erst noch unter Beweis stellen.“

Véronique Hoegger

Die Fotografin, die eigentlich nach Südkorea gekommen ist, um für ihr Buch zu arbeiten, versucht sich einzugliedern in diese unbekannte Tempelwelt. Sie putzt, rüstet stundenlang und manchmal bis spät abends Gemüse und kocht. Dazu kommt, dass sie die Sprache nicht versteht. “Es war hart, aber ich wollte das alles so sehr, ich konnte nicht einfach sagen, das wars, ich gebe auf.” So wie der junge Forscher aus Amerika, der ins Kloster gekommen war, um über den Buddhismus zu schreiben. Nach zwei Wochen war er wieder weg, weil die Recherche nicht nach seinen Vorstellungen lief. Véronique blieb.

In diesem Frühling erschien das fertige Buch. Nach den ersten beiden Monaten brauchte es noch zwei weitere Reisen nach Südkorea, bis alle Reportagen- und Rezeptbilder gemacht waren. “Alle weiteren Besuche im Kloster fühlten sich dann aber für mich wie ein Heimkommen an.”    

Hier geht es zu einem Rezept für Gurkensalat aus dem Buch.